Von Gerald Bühler, Lohr/Erlangen, den 29. 9. 2003; Copyright © 2001 Gerald Bühler;
Veröffentlichung unter http://www.geraldbuehler.de/logik/begriffsschrift.
Kontakt: info@geraldbuehler.de

zu Gerald Bühler


zu Teil I


Teil II: Aufbau einer neuen Begriffsschrift

Inhalt:

1. Analyse des sprachlich-ontologischen und erkenntnistheoretischen Hintergrundes
2. Begriffsschriftliche Entwicklung
3. Literatur



1. Analyse des sprachlich-ontologischen und erkenntnistheoretischen Hintergrundes

(1) Methodologische Vorbemerkung: Die Grundlegung erfolgt phänomenologisch. (siehe hierzu /Seiffert 1975/, S. 13 ff.) Ausgangspunkt ist mein, d. h. des Autors, persönliches Empfinden und zwar in der Lage, in der ich mich als erwachsener Mensch wiederfinde. Das heißt auch, daß mir die Sprache und eine gewisse grundlegende Welterfahrung schon gegeben sind. Hinter diesen Punkt kann ich nicht mehr zurück. Methodologisch konsequent wäre es, wenn ich dieses Kapitel in der Ich-Form schriebe. Ich möchte jedoch den Leser (d. h. Sie) bitten sich meinen Äußerungen anzuschließen, wenn er das kann. Um den Leser in meine Ausführungen mit aufzunehmen und ihm den Zugang zu erleichtern, wähle ich anstelle des ichs in der Regel das wir. Ein für die Ausführungen zentraler Begriff ist der des Empfindens. Mit Empfinden meine ich ein bewußt erlebtes Wahrnehmen eines Sinneseindrucks.

(2) Wir konstruieren die Welt um uns herum aus den Sinneseindrücken, die wir empfinden. Wir selbst sehen uns als ein empfindendes Subjekt in dieser Welt und die empfundenen Sinneseindrücke legen uns nahe, daß wir die Welt mit weiteren empfindenden Co-Subjekten (Mitmenschen und Tiere) teilen. Unser Bild der Welt, wird uns durch die voneinander unterscheidbaren Sinnenseindrücke vermittelt. Damit bilden die Sinneseindrücke die elementare Grundlage unserer Welterfahrung.

(3) Die Unterscheidung der verschiedenen, empfundenen Sinneseindrücke erfolgt in mehrfacher Hinsicht. So unterscheiden wir sie über das Sinnesorgan, über das wir sie empfangen haben, in Empfindungen des Tast-, Geruchs-, Geschmacks-, Hör- und Gesichtssinnes. Wir unterscheiden sie u. a. auch nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens, an den wir uns erinnern. Diese bisher genannten Unterscheidungen nenne ich mitteilbare Sinnesunterscheidungen.

(4) Wir unterscheiden Empfindungen darüber hinaus entsprechend den spezifischen Wahrnehmungsleistungen der einzelnen Sinnesorgane, d. h. wir können z. B. Geschmacksempfindungen danach unterscheiden, ob sie süß, sauer, salzig oder bitter sind, können vielerlei Gerüche, Klangfarben, Lautstärken und Farbtöne unterscheiden. Hier spreche ich von nichtmitteilbaren Sinnesunterscheidungen. Wir können nicht beschreiben, was eine Empfindung im Eigentlichen ausmacht; wir können deshalb auch nicht einem Farbenblinden mitteilen - noch nicht einmal, jemandem der Farben uneingeschränkt wahrnimmt - wie wir einen spezifischen Rotton empfinden. Hierzu eine Anmerkung: Da wir das nicht in Sprache fassen können, sind wir auch nicht in der Lage eine Bauanweisung für eine Maschine zu verfassen, die den Rotton so wie wir empfindet, ja wir können überhaupt keine Bauanweisung für eine empfindende Maschine erstellen (D. h. nicht, daß wir keine Maschine Bauen können, die einen Sensor für Licht bestimmter Wellenlänge enthält und auf dieses Licht in bestimmter Weise reagiert. Aber das ist etwas ganz anderes.). Und so lange das, was ich nichtmitteilbare Sinnesunterscheidungen nenne, nicht in Sprache gefaßt werden kann, hätten wir auch nichts von einer empfindenden Maschine, da sie uns ihre Empfindungen nicht mitteilen könnte.

(5) Allerdings bestehen für uns zwischen den selbst nicht mitteilbaren Sinnesunterscheidungen Relationen, z. B. die Relationen der Gleichheit und Ungleichheit. Wir können mittels der mitteilbaren Sinnesunterscheidungen zwei Sinneseindrücke identifizieren und dann miteinander vergleichen. Wir können sagen, daß zwei Farbtöne gleich oder ungleich, ähnlich oder unähnlich sind. Gleichen oder ähnlichen Empfindungen können wir gleiche oder miteinander verwandte sprachliche Ausdrücke zuordnen. So sprechen wir z. B. verschiedene Farbtöne unter dem Begriff des Blauen, der eine Abstraktion dieser sprachlichen Ausdrücke (blau, Bläue, das Blaue usw.) darstellt an. - Der Begriff des Blauen ist somit klassenbildend für einander ähnliche Farbeindrücke. - Die Relationen der Gleichheit und Ähnlichkeit können wir unseren Mitmenschen, die die gleiche Sprache sprechen wie wir, mitteilen. Wir können feststellen, daß für sie die gleichen Relationen zwischen ihren Sinneseindrücken bestehen wie für uns. Auch sie fassen beispielsweise die Farbtöne, die sich an gewissen Orten wahrnehmen lassen, wie wir unter den Begriff des Blauen, während sie Farbtöne an anderen Orten wie wir unter den Begriff des Roten stellen. Dies ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, daß Sprache möglich ist - es ist auch die Voraussetzung dafür, daß wir intersubjektiv von wahren und falschen Sätzen sprechen können. - Wir können bezüglich bestimmter Gegebenheiten (z. B. beim Betrachten eines bestimmten Punktes) behaupten, daß bezüglich der sich einstellenden Empfindung bestimmte Relationen zutreffen und sich die Empfindungen unter gewisse Begriffe unterordnen lassen. Eine solche Behauptung wird normalerweise mit dem Anspruch auf intesubjektive Gültigkeit ausgesprochen (wenn wir etwa sagen:“Der Fleck ist rot.“ und nicht: „Ich empfinde rot.“). Ein Mitmensch gleicher Sprache, der für gewöhnlich ebenso von diesem intersubjektiven Anspruch ausgeht - und auch von der intersubjektiven Übereinstimmung von Empfindungsrelationen - könnte diese Behauptung nun mit seiner Wahrnehmung überprüfen und hierauf der Behauptung zustimmen oder widersprechen. Demzufolge würde er den Satz, mit welchem die Relation behauptet wurde, dem Begriff des Wahren oder Falschen unterordnen.

(6) Hiermit zeigt sich daß die Unterordnung unter einen Begriff, nicht nur in Bezug auf Empfindungen, sondern beispielsweise auch in Bezug auf Sätze und Behauptungen angewendet werden kann. Eine solche Unterordnung stellt nun ihrerseits wieder eine Relation dar. Natürlich können auch Begriffe selbst wieder Begriffen untergeordnet werden. Die Begriffe des Blauen und Roten können dem Begriff der Farbe untergeordnet werden. Vom Begriff des Kalten kann dies nicht behauptet werden. Der Mensch nimmt nicht nur atomare Sinneseindrücke empfindend wahr, seine komplexen kognitiven Fähigkeiten versetzen ihn in die Lage Dinge oder Gegenstände aus den Wahrnehmungsdaten zu abstrahieren. Für diese Dinge gilt im Grunde das gleiche wie für die atomaren Empfindungen. Es bestehen Relationen der Gleichheit und Ähnlichkeit. Darüber hinaus lassen sich die Dinge aber auch durch Rückgriff der Relationen die zwischen ihren Untereinheiten bestehen, beschreiben und unterscheiden. Schließlich werden auch die Dinge aufgrund Ihrer Gleichheit oder Ähnlichkeit Begriffen zugeordnet, so daß es uns möglich ist, von Tischen, Blumen oder Steinen zu reden.

(7) Die Kriterien, die darüber entscheiden, ob wir etwas unter einen Begriff ordnen, beruhen auf Konvention und wurden von uns erlernt. Sie können sehr komplex sein - es ist z. B. nicht so leicht festzumachen, woran es liegt, daß wir manche Gegenstände als Tassen und andere Gegenstände als Krüge bezeichnen. - Schließlich ist die Zuordnung zu einem Begriff auch kreativ. Wir können Neues, bisher von uns noch nicht Erfahrenes, unter einen Begriff fassen. Das ist die Voraussetzung dafür, daß wir uns in neuen oder sich verändernden Umgebungen kommunizieren können. Die Unterordnung zu einem Begriff kann auch situationsbedingt relativ zu einem Kontext erfolgen (vgl. /Hausser 1989/, S. 326 ff).

(8) Bei der Unterordnung zu einem Begriff handelt es sich um eine Relation zwischen dem Begriff und dem Objekt, das dem Begriff zugeordnet wird. Dieses Objekt sei im folgenden auch Begriffsobjekt genannt. Begriffsobjekte können, wie schon gezeigt wurde Empfindungen und Sätze sein. Auch Begriffe selbst können Begriffsobjekte darstellen, z. B. wenn wir sagen: „Rot ist eine Farbe.“ oder „Bäume sind Pflanzen.“. Hier nehmen die Begriffe „Rot“ und „Baum“ die Rolle des Begriffsobjektes ein. Wenn wir einen Aussagesatz oder assertorischen Satz aussprechen, behaupten wir auch, daß es eine Relation zwischen einem Begriff und einem Begriffsobjekt gibt oder nicht gibt („Schnecken sind keine Insekten.“).

(9) Die Relationen zwischen Begriff und Begriffsobjekt können im Satz aber auch noch eine andere Aufgabe, als die der Behauptung haben. Relationen können dazu verwendet werden, Begriffsobjekte zu identifizieren bzw. neue spezifischere Begriffe zu bilden. Wenn wir sagen: „Grüne Pflanzen sind chlorophyllhaltig.“, bilden wir den Begriff der „grünen Pflanzen“, der dem Begriff der Pflanzen untergeordnet ist. Dieser spezifischere Begriff ist nun seinerseits Begriffsobjekt von „chlorophyllhaltig“.

(10) Man muß den Satz aber noch genauer untersuchen, um zu einer befriedigenden semantischen Analyse zu gelangen. In dem Satz „Bäume sind Pflanzen“ ist die Unterordnung der Bäume unter die Pflanzen leicht nachvollziehbar. Es gibt Objekte, die Bäume genannt werden (sofern es überhaupt Bäume gibt), und diese Objekte sind identisch mit zumindest einem Teil der Objekte, die als Pflanzen bezeichnet werden. „chlorophyllhaltig“ ist aber kein Objekt, sondern ein Adjektiv, etwas kategoriell verschiedenes. Wie ist es dennoch möglich, von einer Unterordnung zu sprechen? Der Satz „Grüne Pflanzen sind chlorophyllhaltig“ läßt sich als abgekürzte Ausdrucksweise des Satzes „Grüne Pflanzen sind chlorophyllhaltige Pflanzen“ oder des Satzes „Grüne Pflanzen sind chlorophyllhaltige Objekte“ auffassen. (Es sei angemerkt, daß auch die Ausdrucksweise „grüne Pflanzen“ schon eine Art abgekürzter Ausdrucksweise darstellt. Der Begriff des Grünen bezieht sich elementarerweise auf Empfindungen. Wenn man jetzt von „grünen Pflanzen“ redet, so meint man Pflanzen, die beim Betrachten eine grüne Empfindung hervorrufen. Wenn man nicht von einer abkürzenden Redeweise sprechen will, so kann man sich auch damit begnügen im Falle von „grün“ von mehreren Verwendungsweisen zu sprechen.)

(11) Eine weitere Spezifizierung des Begriffs der grünen Pflanzen ist möglich. Wir können auch sagen „einige grüne Pflanzen“, „eine grüne Pflanze“, „diese grünen Pflanzen“ oder „diese grüne Pflanze“. Entsprechend gilt in dem Satz „diese grünen Pflanzen sind chlorophyllhaltig“ die Unterordnung nur für einen Teil der grünen Pflanzen. Bei Eigennamen ist der Bezug wie bei einem Begriff geregelt.

(12) Bisher haben wir die Unterordnung eines Begriffes unter einen anderen Begriff behandelt. Können wir davon auch bei einem sogenannten dreistelligen Verb wie „geben“ sprechen? Betrachten wir den Satz „Anna gibt Peter das Buch.“. Die semantische Analyse solcher Sätze ist umstritten. Die moderne Logik und z. B. auch der Sprachwissenschaftler Tesnière attestieren eine dreistellige Relation „gehen“. In Chomskys „Generativer Grammatik“ hingegen ist der Satz in eine Nominalphrase (Anna) und eine Verbalphrase (gibt Peter das Buch) gegliedert. Die Gliederung ist zwar vordergründig eine syntaktische, basiert jedoch in dieser Tradition auf der Analyse der semantisch zusammengehörigen Satzkomponenten, den sogenannten Konstituenten. Deshalb muß diese Aufteilung auch als eine semantische Gliederung des Satzes angesehen werden.

(13) Folgen wir Chomsky so können wir in unserem Sinne bezüglich der Verbalphrase vom Begriff „Personen, die Peter das Buch geben“ sprechen. „Anna“ wird dann diesem Begriff untergeordnet. (Es sei angemerkt, das dieser komplex gebildete Begriff nur in einem Kontext Gültigkeit hat, in dem die Referenz von „das Buch“ entsprechend bekannt ist. Das gleiche gilt in Bezug auf die Eigennamen.) Diese Analyse ist jedoch noch zu einseitig. Wir können ebenso sagen, daß Peter dem Begriff „Personen, denen von Anna ein Buch gegeben wird“ untergeordnet wird, oder daß „das Buch“ dem Begriff „Objekte, die von Anna an Peter gegeben werden“ untergeordnet wird. Wir schließen uns deshalb Tesnière und der modernen Logik an und sprechen von einer dreistelligen Relation, was eben auch bedeutet, daß die drei beschriebenen Arten der Unterordnung zusammen behauptet werden.

(14) Auch Teilsätzen läßt sich ein Begriff zuordnen. Schon Frege hat Teilsätze als Begriffe aufgefaßt und hat in Bezug auf die materiale Implikation von der Unterordnung der Begriffe gesprochen (s. Teil I). Betrachten wir den folgenden Satz:

x > 5 daraus folgt 2x > 5 (wenn x größer als 5 ist, dann ist auch 2 mal x größer als 5)

Man kann nun in der deutschen Sprache für die Teilsätze korrespondierende Begriffe angeben und einen semantisch gleichwertigen Satz formulieren:

Werte, die größer als 5 sind wird untergeordnet Werte, deren Zweifaches größer als 5 ist.

Für die den Teilsätzen zugeordneten Begriffe, ist eine Unterordnung genauso möglich, wie das bei anderen Begriffen der Fall ist. Die Wenn-Dann-Verknüpfung oder materiale Implikation läßt sich als so eine Unterordnung auffassen. Die Interpretation von Teilsätzen als Begriffe ist auch dahingehend unproblematisch, daß im Wenn-Dann-Satz immer nur der ganze Satz behauptet wird und nicht die Teilsätze. Da, wie wir wissen, über die materiale Implikation und die Negation auch die in der Aussagenlogik verwendeten und- und oder-Verknüpfungen abgebildet werden können, lassen sich die in der elementaren Prädikaten- und Aussagenlogik behandelten Aussagetypen als begriffliche Unterordnungen bzw. deren Negation interpretieren. Der traditionell als Aussagenlogik behandelte Bereich läßt sich somit als Teil der Prädikatenlogik ansehen. Der Bereich der Aussagenlogik ist jedoch daher einfacher als die Prädikatenlogik im allgemeinen, da in diesem keine drei- und mehrstelligen Relationen vorkommen.

(15) Ein wesentlicher Punkt dessen, was Sprache leistet, stellt sich als die Herstellung von Relationen der Unterordnung von Objekten und Objektklassen dar. Diese Relationen können mitgeteilt werden. Letztlich lassen sich die Relationen als Relationen zwischen Empfindungen darstellen. Die Empfindungen selbst können nicht mitgeteilt werden.

Diese Analyse sollte als Grundlage für das Ziel einer begriffsschriftlichen Entwicklung einer elementaren Logik, die das Spektrum der traditionellen Aussagen- und Prädikatenlogik umfaßt, zunächst genügen, auch wenn die Leistungen der Sprache keineswegs erschöpfend behandelt wurden.



2. Begriffsschriftliche Entwicklung

In den nachfolgenden Ausführungen wird der Kern dessen entwickelt, was die von mir vorgeschlagene neue Begriffsschrift ausmacht. Ich bin mir bewußt, daß ich einige Beweise schuldig bleibe und daß auch eine weitere Formalisierung zu leisten ist. Die neue Begriffsschrift beruht im wesentlichen auf einer Verallgemeinerung Freges Unterordnung der Begriffe und einer anderen Analyse dessen, was unter einem Begriff und einem Satz zu verstehen ist. Diese Analyse wurde im vorhergehenden Kapitel unternommen. Die Bezüge zu den Abschnitten des vorhergehenden Kapitels wird durch die Angabe der entsprechenden Absatznummern hergestellt.

Entsprechend der obigen Analyse läßt sich festhalten, daß Begriffe für Gegenstände (auch abstrakte Gegenstände) und Sachverhalte (Sätze, Teilsätze) stehen können (14).

Ich führe hiermit einen Begriff ein, der für alle Gegenstände stehen kann, der alle anderen Begriffe, die für Gegenstände stehen umfaßt. Diesen Begriff nenne ich „GEGENSTÄNDE“. Alle Gegenstandsbegriffe sind dem Begriff GEGENSTÄNDE untergeordnet. Daß der Begriff des Baumes dem GEGENSTÄNDE untergeordnet ist wird folgendermaßen notiert.

(Bäume)GEGENSTÄNDE.

Die Unterordnung wird im folgenden generell so notiert, daß der untergeordnete Begriff in Klammern notiert wird und der übergeordnete Begriff rechts daneben steht.

Desgleichen führe ich einen Begriff ein, der für alle Sachverhalte steht. Der Begriff sei „SACHVERHALTE“ genannt.

Weiter gibt es Begriffe, die dafür verwendet werden, daß sie in Verbindung mit anderen Begriffen diese einschränken, so daß sich ein speziellerer Begriff ergibt. In der natürlichen Sprache können dies z. B. Adjektive, Partizipien oder Adverbien sein. So ergibt „rot“ in „rote Kisten“ im Vergleich zu Kisten einen eingeschränkteren Begriff. Diese Begriffe nenne ich im folgenden Spezialisierungsbegriffe. Der Spezielisierungsbegriff, dem alle anderen Spezialisierungsbegriffe untergeordnet sind nenne ich SPEZIALISIERUNGEN (10).

GEGENSTAEND, SACHVERHALTE und SPEZIALISIERUNGEN seien jeweils dem Begriff BEGRIFFE untergeordnet.

Die Bildung des spezialisierten Begriffes „rote Kisten“ wird so notiert:

[Kisten]rot

Es gilt jetzt:

([Kisten]rot)Kisten. und auch ([Kisten]rot)GEGENSTÄNDE.

Daß diese Unterordnungen behauptet werden, wird durch den nachfolgenden Punkt hervorgehoben (auch wenn man diese Hervorhebung als überflüssig ansehen könnte). In Bezug auf behauptete Unterordnungen spreche ich auch von Sätzen.

Unabhängig von der Verwendung eines bestimmten Spezialisierungsbegriffes kann eine Spezialisierung durch Kennzeichnung mit dem unbestimmten Artikeloperator vorgenommen werden (11):

#E Kisten

Durch den Artikeloperator wird der Begriff auf eine Instanz der Kisten eingeschränkt.

Hier gilt:

(#E Kisten)Kisten.

Natürlichsprachliche Sätze wie Peter schwimmt. werden folgendermaßen als Unterordnungen notiert:

(Peter)[GEGENSTÄNDE]schwimmend.

Die Negation eines Sachverhaltsbegriffes wird als Unterordnung eines Sachverhaltsbegriffes unter die unzutreffenden Sachverhaltsbegriffe aufgefaßt. Der Begriff der unzutreffenden Sachverhaltsbegriffe wird durch das Zeichen N dargestellt. Der Satz Pflanzen sind keine Tiere kann folgendermaßen notiert werden.

((Pflanzen)Tiere)N.

Mehrstellige Relationen wie z. B. Anna gibt Peter das Buch (dreistellig) werden so dargestellt:

(Anna, Peter, Buch) geben.

Mit diesem Satz korrespondieren drei begriffliche Unterordnungen (13):

1. Anna wird dem Begriff Personen (GEGENSTÄNDE), die Peter das Buch geben untergeordnet:

(Anna) [GEGENSTÄNDE] (GEGENSTÄNDE, Peter, Buch) geben.

2. Peter wird dem Begriff GEGENSTÄNDE, denen von Anna das Buch gegeben wird untegeordnet:

(Peter) [GEGENSTÄNDE] (Anna, GEGENSTÄNDE, Buch) geben.

3. Und das Buch wird dem Begriff GEGENSTÄNDE, die von Anna Peter gegeben werden untergeordnet:

(Buch) [GEGENSTÄNDE] (Anna, Peter, GEGENSTÄNDE) geben.

Aussageformen können durch die Verwendung von Variablen formuliert werden. Die Variablen können vor Verwendung in einer Aussageform kategorisiert werden . Eine Aussageform kann dann z. B. wie folgt aufgeschrieben werden:

(x)GEGENSTÄNDE.
(y)SPEZIALISIERUNGEN.
(x)[GEGENSTÄNDE]y.

Komplexe Sätze werden durch geschachtelte begriffliche Unterordnungen dargestellt:

a und b: (((b) N) a) N.

a oder b: ((a) N) b.

a oder nicht-a: ((a) N) (a) N. Man erkennt hier sofort die tautologische Struktur.

Im Unterschied zu Frege wird auch die Negation im Rahmen der Unterordnung behandelt.

Kommen wir zum Abschluß zur Darstellung von Schlüssen und betrachten wir zunächst einen Schluß nach dem sogenannten Modus Barbara:

(y)z.
(x)y.
____
(x)z.

Die Schlußform ist gültig, da es in einem Ausdruck erlaubt ist, einen Begriff durch einen untergeordneten Begriff zu ersetzen.

x, y und z wurden nicht weiter kategorisiert. Daher handelt es sich allgemein um Variablen für Begriffe. Diese können nun für Gegenstände stehen:

(Menschen) [Lebewesen] sterblich.
(Griechen) Menschen.
____________________________
(Griechen) [Lebewesen] sterblich.

Oder auch für Sachverhalte:

(Der Heizölverbrauch ist hoch) Es ist kalt.
(Es schneit) Der Heizölverbrauch ist hoch.
_________________________________
(Es schneit) Es ist kalt.

Die Variablen können genauso gut für den Begriff der unzutreffenden Sachverhaltsbegriffe N stehen:

(Es ist kalt) N.
(Der Heizölverbrauch ist hoch) Es ist kalt.
_________________________________
(Der Heizölverbrauch ist hoch) N.

Modus Ponens erweist sich somit als Sonderfall von Modus Barbara!

Noch ein Beispiel für Modus Darii:

( y) z.
(#E x) y.
________
(#E x) z.

Auch hier liegt die gleiche Struktur zugrunde.



3. Literatur (Teil II)

/Hausser 1989/ R. Hausser, Computation of Language: An Essay on Syntax, Semantics and Pragmatics in Natural Man-Machine Communication. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag 1989.

/Seiffert 1975/ H. Seiffert, Einführung in die Wissenschaft-Theorie 2. 6. Aufl., München: C. H. Beck 1975.